Liebe werdende Eltern, Familien und Interessierte,
ich bin Hebamme Nadja Meffert aus Lahr im wunderschönen Ortenaukreis. Heute möchte ich ein essenzielles Thema ansprechen, das die ersten Momente nach der Geburt eines Kindes betrifft – eine Zeit, die sowohl für das Neugeborene als auch für die Mutter von immenser Bedeutung ist.
Die erste Stunde: Eine Bindungszeit, die zählt
Nach der Geburt wird oft empfohlen, dass das Neugeborene mindestens eine Stunde ungestört an der Brust der Mutter bleibt. Diese wertvolle Zeit unterstützt nicht nur das erste Bonding zwischen Mutter und Kind, sondern hat auch signifikante gesundheitliche Vorteile. Die Natur hat die Nabelschnur mit einer Länge von etwa 50 bis 60 Zentimetern perfekt darauf ausgelegt, dass das Baby nah bei seiner Mutter sein kann. Während dieses intimen ersten Kontaktes kann das Baby durch den engen Körperkontakt beruhigt und die Mutter bei der Rückbildung der Gebärmutter unterstützt werden.
Die Wissenschaft hinter dem Warten: Nabelschnur und Stammzellen
Wissenschaftliche Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung des verzögerten Abnabelns. Ein Viertel des Blutes des Neugeborenen befindet sich zum Zeitpunkt der Geburt noch in der Plazenta. Durch das verzögerte Durchtrennen der Nabelschnur, idealerweise erst, nachdem sie aufgehört hat zu pulsieren (etwa 25 Minuten nach der Geburt), erhält das Baby wesentliche Blutzufuhren. Dies trägt dazu bei, das Risiko von Blutarmut signifikant zu reduzieren.
Überdies sind die Stammzellen, die in diesem Blut enthalten sind, von unschätzbarem Wert für die medizinische Zukunft des Kindes. Diese „großen“ Stammzellen – die Bausteine für die Regeneration und Reparatur des Körpers – sollten unserem Nachwuchs erhalten bleiben und nicht kommerziell genutzt werden.
Ein kultureller Vergleich: Mensch vs. Tier
Interessanterweise sind Menschen die einzigen Lebewesen, die die Praxis des sofortigen Abnabelns praktizieren. In der Tierwelt wird die Plazenta oft von der Mutter verzehrt, was nicht nur Nährstoffe liefert, sondern auch das natürliche Ecosystem instinktiv respektiert. Diese Information mag uns dazu anregen, über unsere eigenen Geburtspraktiken nachzudenken und vielleicht eine bewusstere Entscheidung zu treffen.
Lotusgeburt: Ein altes Verständnis von Geburt
Die Lotusgeburt, bei der die Plazenta und die Nabelschnur natürlicherweise abfallen, ist eine Praxis, die in einigen Kulturen seit Jahrhunderten ausgeübt wird. Obwohl sie in der modernen Medizin als ungewöhnlich gilt, bietet sie doch einen tiefen Einblick in eine andere Form der Achtung des Geburtsprozesses. Lesen Sie gerne dazu meinen ausführlichen Blogbeitrag.
Kritische Betrachtung: Die Kommerzialisierung von Stammzellen
Als Hebamme sehe ich, wie wertvoll und einzigartig jede Geburt ist. Es ist besorgniserregend, dass die medizinische Forschung und gewisse Institute möglicherweise mehr Interesse an den kommerziellen Aspekten von Stammzellen haben könnten. Früher wurde oft rasant abgenabelt, um Stammzellen zu sammeln und zu kommerzialisieren. Diese Praktiken sind ein lukratives Geschäft, das die ethischen Grenzen dessen, was technologisch möglich ist, auslotet.
Plädoyer für eine bewusste Geburtsplanung
Ich ermutige alle werdenden Eltern, sich aktiv in die Planung ihrer Geburt einzubringen. Es ist Ihr Recht, Entscheidungen zu treffen, die das Wohl Ihres Kindes und Ihre eigenen Werte widerspiegeln. Besprechen Sie mit Ihrem Geburtsteam den idealen Zeitpunkt für das Abnabeln und die Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, um die Geburt Ihres Kindes zu einem vollkommen.
Gerne berate ich werdende Eltern auch bei solchen Entscheidungen.
Eure Hebamme Nadja Meffert